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Hauptsache, das Geld bleibt im Land

Komitee St.Gallen-Appenzell
Komitee St.Gallen-Appenzell
25 May 2023
Hauptsache, das Geld bleibt im Land

Im neusten Artikel im Tagblatt erklären die Ostschweizer Finanzchefs March Mächler, Paul Signer, Ruedi Eberle und Ursin Martin warum ein "JA" zur OECD-Mindeststeuer so wichtig ist.

Wird die Ostschweiz benachteiligt, während reiche Kantone wie Zug und Basel-Stadt noch reicher werden? Diese Frage steht bei der Abstimmung über die Mindeststeuer am 18. Juni im Raum. Die Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden von international tätigen Grossunternehmen ab 2024 mindestens 15 Prozent Gewinnsteuer verlangen. Die Schweiz, die teilweise tiefere Steuersätze hat, will nachziehen, weil die Steuereinnahmen sonst in andere Länder abfliessen.

Der Bund plant eine Ergänzungssteuer, um die 15-Prozent-Schwelle einzuhalten. Diese Steuer wird gemäss Schätzungen aus Bern Mehreinnahmen von über einer Milliarde Franken jährlich einbringen. Doch wohin mit dem Geld? Hierüber wurde in den vergangenen Monaten heftig gestritten. Besonders viele der betroffenen internationalen Unternehmen mit über 750 Millionen Franken Umsatz befinden sich in Kantonen wie Zug und Basel-Stadt. Noch im vergangenen Jahr war angedacht, dass die Einnahmen vollumfänglich bei den Kantonen bleiben. Dagegen gab es entschieden Widerspruch – zum Beispiel in St. Gallen: Die Regierung warnte im Frühling 2022: «Davon würden vor allem die Tiefsteuerkantone profitieren.» Der Steuerwettbewerb unter den Kantonen werde sich so noch verschärfen.

Mächler: Für ein Nein fehlt die Zeit.

Die St. Galler Regierung sprach sich bei der künftigen Verteilung der Steuereinnahmen für einen Kantonsanteil von 50 Prozent oder weniger aus. Der Rest solle an den Bund gehen. Finanzchef Marc Mächler (FDP) sagte einige Monate später: «Sollten die Mehreinnahmen dazu führen, dass nur einige wenige finanzstarke Kantone davon profitieren, so wird es aus meiner Sicht schwierig, diese Abstimmung zu gewinnen.» Diese St. Galler Haltung vertraten damals auch die Ständeräte Benedikt Würth (Die Mitte) und Paul Rechsteiner (SP) im Parlament, im Nationalrat gehörte Bauernpräsident Markus Ritter (Die Mitte) ebenfalls zu den Kritikern eines hohen Kantonsanteils.

Jedoch ohne Erfolg: Die Vorlage, die jetzt an die Urne kommt, sieht vor, dass 75 Prozent der Einnahmen an die Kantone und 25 Prozent an den Bund gehen.

Das ist nicht das, was die St. Galler Regierung gefordert hat. Trotzdem empfiehlt sie die Mindeststeuer-Vorlage jetzt zur Annahme. Warum? Das Wichtigste sei, dass die neuen Vorschriften für die Mindestbesteuerung der grossen Unternehmensgruppen am 1. Januar 2024 in Kraft treten könnten, sagt Finanzchef Mächler auf Anfrage. «Über den Verteilschlüssel der Einnahmen kann man sich streiten. Es wäre jedoch nicht im Interesse der Schweiz, nur wegen Meinungsverschiedenheiten über die Einnahmenverteilung die ganze Vorlage abzulehnen. Profitieren würden dann die anderen Staaten und die Schweiz würde leer ausgehen.» Zudem könnte der Verteilschlüssel später immer noch angepasst werden. Auf der Seite der Befürworter befinden sich inzwischen auch Ritter und Würth – sie gehören zum regionalen Pro-Komitee. Sowohl Mächler als auch das Pro-Komitee halten fest, dank des nationalen Finanzausgleichs würden auch ärmere Kantone von den Zusatzeinnahmen profitieren.

SP: Regierung hat den Mut verloren.

Die Gegnerinnen und Gegner kritisieren hingegen, selbst wenn man den Finanzausgleich mitberücksichtige, würden die Tiefsteuerkantone durch die Mindeststeuer-Vorlage noch deutlich begünstigt. Die SP fordert Korrekturen beim Verteilschlüssel. In St. Gallen waren die Sozialdemokraten im vergangenen Jahr erfreut über die Position der Kantonsregierung und reagieren jetzt entsprechend enttäuscht. Die Regierung habe auf der Zielgeraden den Mut verloren, schreibt die SP Kanton St. Gallen in einer Stellungnahme. Die grosse Mehrheit der Kantone werde benachteiligt. «Die Bevölkerung im Kanton St. Gallen wird mit Brosamen abgespeist.»

Die Regierungen des Kantons Thurgau und der beiden Appenzell haben den jetzigen Vorschlag schon früh unterstützt. Der Thurgauer Finanzchef Urs Martin (SVP) sagt, es sei sachgerecht, dass nur ein Viertel der Steuereinnahmen umverteilt werde, das entspreche dem Verursacherprinzip. «Ein höherer Bundesanteil ist keine Garantie für eine gezielte und effiziente interkantonale Umverteilung.» Das Gegenteil sei der Fall, sagt Martin und verweist auf eine Simulation zum Finanzausgleich, die die Thurgauer Regierung dem Grossen Rat vorgelegt hat. Angenommen, die Schweiz nähme durch die Mindeststeuer zwei Milliarden Franken ein, dann bekäme der Thurgau bei der jetzt vorgeschlagenen Lösung rund 22 Millionen Franken mehr aus dem Ressourcenausgleich, St. Gallen 20,5 Millionen mehr, Ausserhoden 1,9 Millionen, Innerrhoden 300 000 Franken. Wäre der Bundesanteil höher, wären diese Zusatzbeträge für die Ostschweiz geringer.

Dem Kanton Zug winkt ein grosses Plus. Und die reichen Kantone? Der Kanton Zug müsste gemäss der oben erwähnten Simulation knapp 39 Millionen Franken mehr in den Ressourcenausgleich einzahlen. Er wird es verkraften: Zug rechnet durch die Mindeststeuer unter dem Strich mit Mehreinnahmen von 200 bis 400 Millionen Franken und schmiedet bereits konkrete Pläne zur Verwendung dieser Gelder, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Von Investitionen in Kindertagesstätten und ÖV ist die Rede, von Unterstützungs- und Fördermassnahmen zugunsten der Wirtschaft.

In der Ostschweiz ist nichts dergleichen zu hören. Die finanziellen Auswirkungen der Mindeststeuer für St. Gallen seien noch nicht abschätzbar, sagt Mächler, die Bemessungsgrundlagen seien noch zu wenig klar. Der Ausserrhoder Finanzdirektor Paul Signer (FDP) rechnet mit einem Effekt zwischen minus 3 und plus 5 Millionen Franken, eine konkrete Vorhersage sei noch nicht möglich. Innerrhoden geht von rund 100 000 Franken zusätzlichen Einnahmen aus, wie Säckelmeister Ruedi Eberle (SVP) sagt. Eine konkrete Verwendung sei aufgrund des tiefen Betrages noch nicht geplant. «Zuerst sollte sowieso abgewartet werden, um wie viel Mehreinnahmen es sich handelt. Im Moment wird das Fell verteilt, bevor der Bär geschossen ist.»

Erschienen am 25. Mai im St. Galler TagblattHier können Sie den Artikel im Original ansehen oder herunterladen