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Für welches Rentensystem würde sich das Stimmvolk entscheiden?

Komitee Zentralschweiz
Komitee Zentralschweiz
13 December 2023
Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ AHV BVG Altersvorsorge

Aus ökonomischer Sicht ist Altersvorsorge eine persönliche Abwägung zwischen Konsum heute und zukünftigem Konsum. Ganz einfach. Dafür muss ein Individuum lediglich seine zeitlichen Konsumpräferenzen kennen, die Gehaltskurve über die gesamte Arbeitszeit miteinbeziehen, seine Lebenserwartung abschätzen, den Zinssatz bis zu seinem Tod voraussehen sowie das persönliche Risiko der Invalidität berechnen. Dann kann sich die Person am Markt versichern, Kapital ansparen und allenfalls mit genügend Nachwuchs seine eigene Altersversicherung schaffen. Ist diese Entscheidung für die Mehrheit der Personen zu schwierig, liegt allenfalls ein Marktversagen vor und ein Staatseingriff wäre effizient.
Das Schweizer Stimmvolk entschied 1947, dass ein Staatseingriff nötig ist. Es entstand die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Das heutige Drei-Säulen-Prinzip wurde schliesslich 1972 in der Verfassung verankert und mit dem Bundesgesetz über die Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) 1985 eingeführt.

Dabei ist die AHV prinzipiell als Umlageverfahren organisiert. Das heisst, die gegenwärtige aktive Bevölkerungsgruppe erwirtschaftet die Renten der gegenwärtig Pensionierten. Die zweite Säule hingegen funktioniert grundsätzlich im Kapitaldeckungsverfahren; jede Person erwirtschaftet ihr eigenes Vorsorgevermögen.

Machen wir ein Gedankenexperiment. Stellen wir uns vor, wir führen eine Altersvorsorge ein. Für welches System sollten wir uns als Gesellschaft entscheiden? Ein Jurist würde antworten, dass der «Generationenvertrag» im Umlageverfahren zweifelhaft ist, da die Gegenpartei des Vertrages nicht mit am Tisch sitzt. Sie kann entweder noch nicht abstimmen oder ist noch nicht geboren. Ein Ökonom würde entgegnen, dass solange die Wachstumsrate der Lohnsumme (Anzahl Arbeitnehmende multipliziert mit dem Durchschnittsgehalt, was in etwa mit dem Wirtschaftswachstum gleichzusetzen ist) über dem Zinsniveau liegt, das Umlageverfahren zu bevorzugen sei. In diesem Fall wachsen die Renten im Umlageverfahren über die Zeit stärker als das privat angesparte Kapital. Ob das reale Zinsniveau oder das Nationaleinkommenswachstum grösser ist, ändert fast jährlich. Eine klare Antwort kommt aus der Ökonomie deshalb nicht. Für welches System würde sich das Schweizer Stimmvolk heute entscheiden? Der Medianwähler ist 60 Jahre alt. Ist er eigennutzorientiert, entscheidet er sich für das Umlageverfahren, da ihm selbst keine Zeit bleibt, sich privat genügend Kapital anzusparen.

Langfristig gesehen fahren wir in der Schweiz mit dem Drei-Säulen-Prinzip sicherlich gut – ein Kompromiss zwischen Staat und Privatwirtschaft, zwischen Kapital- und Umlageverfahren sowie zwischen Jungen und Alten. Wichtig sind jedoch zwei Punkte. Erstens müssen die Säulen ihrem Prinzip treu bleiben: die AHV dem Umlageverfahren, das BVG dem Kapitaldeckungsverfahren. Nur so erreichen wir langfristig eine transparente und absichernde Diversifizierung. Zweitens muss die Finanzierbarkeit unserer Altersvorsorge gesichert sein.

2024 stehen gleich drei Abstimmungen zu diesem Thema an. Mit der BVG-Reform hat das Stimmvolk die Möglichkeit, Rentenzahlungen an die wirtschaftliche Realität anzupassen, systemfremde Umverteilung zu minimieren und Teilzeitbeschäftigte besser zu versichern. Bei der Renteninitiative können wir das Rentenalter an die gesellschaftliche Realität anpassen. Und bei der 13. AHV-Rente stimmt der Medianwähler hoffentlich eher weitsichtig als eigennützig ab.